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UNIVERSALADHÄSIVE: RATIONALISIEREN KLINISCHER ABLÄUFE

FALLDOKUMENTATION VON PD DR. JOSE IGNACIO ZORZIN

Klinische Abläufe rationalisieren: Dies ist der Hauptgrund für den Einsatz von Universalprodukten in der adhäsiven Zahnheilkunde. Sie eignen sich für ein breites Indikationsspektrum und für verschiedene Anwendungstechniken, erfüllen ihre Aufgaben mit weniger Komponenten als herkömmliche Systeme und erfordern häufig weniger Schritte in der klinischen Anwendung. Ein bekanntes Beispiel sind Universaladhäsive.

Inwiefern tragen Universaladhäsive zu einer Optimierung von Arbeitsprozessen bei?

Wenn Zähne mit Komposit-Füllungsmaterial zu restaurieren sind, tritt bei der Lichthärtung dieser Materialien eine Volumenschrumpfung auf. Durch die adhäsive Befestigung des Restaurationsmaterials an der Zahnhartsubstanz lassen sich die negativen Folgen dieser Schrumpfung – Randspaltbildung, Marginal Leakage und Randverfärbungen, Hypersensitivitäten und die Entwicklung von Sekundärkaries – vermeiden.

Die ersten auf dem Dentalmarkt verfügbaren Adhäsivsysteme waren Etch-and-Rinse-Adhäsive, die in der Regel aus drei Komponenten bestanden: einem Phosphorsäure-Äztgel, einem Primer und einem separaten Adhäsiv. Spätere Generationen kombinierten Primer und Bond in einer Flasche, hinzu kamen außerdem selbstätzende Ein- oder Zwei-Flaschen-Adhäsive. Universaladhäsive (auch als Multi-Mode-Adhäsive bezeichnet) können sowohl mit als auch ohne ein separates Phosphorsäure-Ätzgel verwendet werden.

Welche Technik zu wählen ist, hängt von der Indikation und der klinischen Situation ab. In den meisten Fällen werden die besten Ergebnisse nach einer selektiven Schmelzätzung erzielt1. Der Haftverbund an Schmelz ist in der Regel hochwertiger, wenn dieser zuvor mit Phosphorsäure behandelt wurde, während die Applikation von Phosphorsäure auf großen Dentinarealen mit dem Risiko verbunden ist, dass tiefer geätzt wird als das Adhäsiv hybridisieren kann. Ist die Kavität hingegen klein, kann es unmöglich sein, das Phosphorsäure-Ätzgel ausschließlich auf den Schmelz zu applizieren, sodass die Total-Etch-Technik am geeignetsten erscheint. Und schließlich kann sich die Anwendung von Phosphorsäure im Kontext einer Reparatur bestehender Restaurationen negativ auf die Haftfestigkeit auswirken, da diese die Bindungsstellen an bestimmten Restaurationsmaterialien blockiert. Durch die Anwendung eines Universaladhäsivs lassen sich all diese Fälle bestmöglich behandeln, da in jeder Situation die am besten geeignete Ätztechnik gewählt werden kann.


Abbildung 1: Volumenschrumpf von Komposit-Füllungsmaterialien und die klinischen Folgen.

Abgesehen von den Unterschieden hinsichtlich der Anwendung oder Nicht-Anwendung von Phosphorsäure-Ätzgel auf der Schmelz- oder der Schmelz-und-Dentin-Klebefläche ist die klinische Vorgehensweise bei Verwendung desselben Universaladhäsivs stets ähnlich. Anhand des folgenden klinischen Fallbeispiels wird demonstriert, wie CLEARFIL™ Universal Bond Quick (Kuraray Noritake Dental Inc.) im Rahmen der selektiven Schmelzätzung anzuwenden ist. Einige Details zu den zugrundeliegenden Haftmechanismen werden ebenfalls genannt.

Wie ist bei der selektiven Schmelzätzung vorzugehen?

Ein klinisches Fallbeispiel.
Dieser Patient stellte sich mit einem frakturierten seitlichen Schneidezahn vor, brachte aber erfreulicherweise das Fragment gleich mit. So wurde entschieden, das Fragment unter Einsatz eines fließfähigen Komposit-Füllungsmaterials adhäsiv am Zahn zu befestigen.

Da eine sorgfältige Trockenlegung des Arbeitsumfelds das Leben des Zahnarztes erleichtert, wurde Kofferdam in Langlochtechnik gelegt. Diese Technik funktioniert im Frontzahnbereich des Oberkiefers generell sehr gut, da das Risiko einer Kontamination mit Speichel vom Gaumen her sehr gering ist. Nach dem Anlegen des Kofferdams wurden die Klebeflächen am Zahn leicht angeraut, um frisches Dentin zum Vorschein zu bringen. Da die Oberflächen geringfügig mit Blut kontaminiert waren und vollständig saubere Oberflächen eine entscheidende Voraussetzung für eine sichere Haftung sind, wurde KATANA™ Cleaner auf die Zahnhartsubstanz appliziert, zehn Sekunden in die Oberflächen eingerieben und anschließend abgespült. Die Reinigungslösung enthält MDP-Salz mit oberflächenaktiven Eigenschaften, die alle organischen Substanzen vom Substrat entfernen. Das Fragment wurde mit Komposit an einem Kugelstopfer befestigt (anpolymerisiert) und ebenfalls mit KATANA™ Cleaner gereinigt.


Abbildung 2: Patient mit frakturiertem Zahn 21.


Abbildung 3: Detailansicht des frakturierten Zahns.


Abbildung 4: Isolation des Arbeitsumfelds mit Kofferdam.


Abbildung 5: Reinigung des Zahns …


Abbildung 6: … und des Fragments mit KATANA™ Cleaner.

Es folgte die 15-sekündige selektive Schmelzätzung am Zahn und am Fragment. Immer dann, wenn ausschließlich der Schmelz geätzt werden soll, ist es wichtig, ein Ätzgel zu wählen, das standfest ist (nicht wegfließt). Eine solche Konsistenz bietet K-ETCHANT Syringe (Kuraray Noritake Dental Inc.). Beide Oberflächen wurden nach dessen Anwendung gründlich mit Wasser gespült und leicht mit Luft getrocknet, bevor CLEARFIL™ Universal Bond Quick (Kuraray Noritake Dental Inc.) mit einer massierenden Bewegung appliziert wurde. Dieses Adhäsiv ist wirklich schnell: Studienergebnisse zeigen, dass die Haftfestigkeit direkt nach der Applikation ebenso hoch ist wie nach einem intensiven Einreiben in die Zahnhartsubstanz für 20 Sekunden2,3. Die Adhäsivschicht wurde vorsichtig mit Luft zu einem sehr dünnen Film verblasen und final lichtgehärtet – sowohl auf dem Zahn als auch auf dem Fragment.


Abbildung 7: Selektive Schmelzätzung mit Phosphorsäure-Ätzgel auf dem Zahn …


Abbildung 8: … und dem Fragment.


Abbildung 9: Applikation …


Abbildung 10: … des Universaladhäsivs.


Abbildung 11: Polymerisation der extrem dünnen Adhäsivschicht auf dem Zahn …


Abbildung 12: … und dem Fragment.

Was geschieht mit dem Dentin bei selektiver Schmelzätzung (oder auch im selbstätzenden Modus)?
Nach der Präparation oder dem Anrauen der Dentinoberfläche verbleibt eine Schmierschicht auf dieser, welche die Dentintubuli verschließt. Zudem bilden sich intratubuläre Pfropfen (Smear Plugs). Sie schützen die Pulpa und bilden eine Barriere, die dem Austritt von Liquor aus den Tubuli entgegenwirkt und verhindert, dass dieser die Haftung negativ beeinflussen kann. Bei selbstätzender Anwendung des Universaladhäsivs auf dem Dentin wird die Schmierschicht von der mild selbstätzenden Formulierung (pH-Wert > 2) infiltriert und teilweise aufgelöst. Gleichzeitig infiltriert und demineralisiert das Adhäsiv das peritubuläre Dentin. Die Säure greift das Hydroxylapatit an den Kollagenfasern an, löst Calcium und Phosphat heraus und vergrößert dadurch die Oberfläche. Dann reagiert das in der Formulierung enthaltene 10-MDP mit den positiv geladenen Calcium- (und Phosphat-)Ionen. Diese ionische Wechselwirkung ist verantwortlich für die Verbindung des Dentins mit dem Methacrylat und damit für die Bildung der Hybridschicht4,5.

Im Etch-and-Rinse-Modus ist die Phosphorsäure für die Auflösung der Schmierschicht und die Demineralisation des Hydroxylapatits verantwortlich. Dies führt dazu, dass die Kollagenfasern kollabieren. Rehydriert werden müssen sie vom Universaladhäsiv, das im folgenden Schritt appliziert wird. Wann immer die Säure tiefer in die Strukturen eindringt als das Adhäsiv, verbleiben die Kollagenfasern im kollabierten Zustand. Dies führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu klinischen Beschwerden wie postoperativen Sensitivitäten6.

Während der Anwendung des Adhäsivsystems denkt ein Praktiker sicher selten darüber nach, was an der Grenzschicht geschieht7. Jeder einzelne Anwender von Universaladhäsiven sollte sich jedoch der Tatsache bewusst sein, dass dort eine Menge passiert. Und weil dort so viel geschieht, ist es so wichtig, ein hoch leistungsfähiges Material mit ausgewogenen Eigenschaften zu verwenden und sich stets an die Anwendungsempfehlungen zu halten.

Haftmechanismus auf Dentin
(selbstätzende Anwendung oder selektive Schmelzätzung)

Schmierschicht
Peritubuläres Dentin
Intratubuläre Pfropfen (Smear Plugs


Abbildung 13: Schematische Darstellung von Dentin nach der Präparation: Die Schmierschicht auf der Oberfläche mit den Smear Plus, welche die Dentintubuli verschließen, schützen die Pulpa und wirken dem Austritt von Liquor in die Kavität entgegen.

Haftmechanismus auf Dentin
(selbstätzende Anwendung oder selektive Schmelzätzung)

Infiltration und Demineralisation des peritubulären Dentins
Universaladhäsiv
mit MDP
pH > 2


Abbildung 14: Schematische Darstellung von Dentin nach der Applikation eines 10-MDP enthaltenden Universaladhäsivs. Die mild selbstätzende Formulierung löst die Schmierschicht teilweise auf und infiltriert sie, während gleichzeitig das peritubuläre Dentin demineralisiert und infiltriert wird5.

Im vorliegenden Fall waren Zahn und Fragment nun wieder zusammenzuführen. Zu diesem Zweck wurde CLEARFIL MAJESTY™ ES-Flow (A2 Low, Kuraray Noritake Dental Inc.) auf die Zahnhartsubstanz appliziert. Das Fragment wurde dann mithilfe eines Silikonschlüssels reponiert, mit einer Pinzette in Position gehalten und lichtgehärtet. Um einen glatten Rand und eine glänzende Oberfläche zu erzielen, erfolgte lediglich die Politur der Restauration. Nach eineinhalb Jahren erschien der Patient zum Recall und die Restauration befand sich in einem einwandfreien Zustand.

Warum ist es so wichtig, sich an die produktspezifischen Anwendungsprotokolle zu halten?

Universaladhäsive enthalten viele verschiedene Technologien in nur einer Flasche. Während diese Tatsache dafür sorgt, dass Anwender ihre klinischen Vorgehensweisen rationalisieren können, erfordert sie auch besondere Aufmerksamkeit. Wie jedes hochentwickelte Material müssen auch Universaladhäsive genau so angewendet werden, wie es ihr Hersteller empfiehlt. Generell darf nur erwartet werden, dass die Materialien auf absolut sauberen Flächen gut funktionieren, während eine Kontamination mit Blut und Speichel sehr wahrscheinlich zu einer deutlichen Abnahme der Haftfestigkeit führt. Je nach Art des Universaladhäsivs ist die aktive Applikation ähnlich wichtig. Dies gilt außerdem für die korrekte Behandlung der Adhäsivschicht mit Luft und die nachfolgende Lichthärtung. Außerdem ist darauf zu achten, dass das Material im Originalzustand angewendet wird. Dies bedeutet, dass es direkt aus der Flasche appliziert werden sollte, um einer zu frühen Evaporation des Lösungsmittels oder chemischen Reaktion entgegenzuwirken. Werden diese Regeln beachtet, so bieten Universaladhäsive zahlreiche Vorteile – von rationalisierten Abläufen bis hin zu einem vereinfachten Bestellmanagement und einer erhöhten Nachhaltigkeit, da weniger Flaschen vorzuhalten sind und vor dem Verfallsdatum ablaufen könnten.


Abbildung 15: Wiederverbinden des Fragments mit dem Zahn.


Abbildung 16: Behandlungsergebnis.

 

PD Dr. José Ignacio Zorzin

PD Dr. José Ignacio Zorzin schloss sein Studium der Zahnmedizin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Jahr 2009 ab. Er promovierte 2011 zum Dr. med. dent. Im Jahr 2019 folgte die Habilitation mit Erwerb der Venia Legendi in Zahnerhaltung, Parodontologie und Kinderzahnheilkunde ("Materials and Techniques in Modern Restorative Dentistry"). PD Dr. Zorzin ist seit 2009 an der Zahnklinik 1 (Zahnerhaltung und Parodontologie) des Universitätsklinikums Erlangen tätig. Er lehrt an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Bereich der operativen Zahnheilkunde und leitet dort klinische und vorklinische Kurse. Er forscht hauptsächlich in den Bereichen selbstadhäsive Befestigungskomposite, Adhäsive, Komposit-Füllungsmaterialien und Keramiken. Er veröffentlicht in internationalen Fachzeitschriften mit Peer-Review-Verfahren.

 

Literaturangaben

  1. Van Meerbeek, B.; Yoshihara, K.; Van Landuyt, K.; Yoshida, Y.; Peumans, M. From Buonocore‘s Pioneering Acid-Etch Technique to Self-Adhering Restoratives. A Status Perspective of Rapidly
    Advancing Dental Adhesive Technology. J Adhes Dent 2020, 22, 7-34.
  2. Kuno Y, Hosaka K, Nakajima M, Ikeda M, Klein Junior CA, Foxton RM, Tagami J. Incorporation of a hydrophilic amide
    monomer into a one-step self-etch adhesive to increase dentin bond strength: Effect of application time. Dent Mater J. 2019 Dec 1;38(6):892-899.
  3. Nagura Y, Tsujimoto A, Fischer NG, Baruth AG,
    Barkmeier WW, Takamizawa T, Latta MA, Miyazaki M. Effect of Reduced Universal Adhesive Application Time on Enamel Bond Fatigue and Surface Morphology. Oper Dent. 2019 Jan/Feb;44(1):42-
    53.
  4. Fehrenbach, J., C.P. Isolan, and E.A. Münchow, Is the presence of 10-MDP associated to higher bonding performance for self-etching adhesive systems? A meta-analysis of in vitro studies.
    Dental Materials, 2021. 37(10): 1463-1485.
  5. Van Meerbeek, B., et al., State of the art of self-etch adhesives. Dental Materials, 2011. 27(1): 17-28.
  6. Pashley, D.H., et al., State of the art etchand-
    rinse adhesives. Dent Mater, 2011. 27(1): 1-16.
  7. Vermelho, P.M., et al., Adhesion of multimode adhesives to enamel and dentin after one year of water storage. Clinical Oral Investigations,
    2017. 21(5): 1707-1715.